Donnerstag, 20. Juni 2019

Rauchen, sparen und genießen

Kennt ihr diese Bilder, die von kleinen Dingen, Tieren und Menschen nur so wimmeln und man einen bestimmten Gegenstand darin suchen muss, so ähnlich wie einen Fehler im Bild? Mir (Madame Miez) begegnen von Zeit zu Zeit diese Wimmelbilder – aber in echt. Wer mit offenen Augen durch unsere Bronxx geht, sieht viel Kurioses und ordentlich viele Wimmel. Dies zum Beispiel:





Was an diesem Bild ist falsch? Hm. Zunächst einmal handelt es sich um stinknormale Zigarettenwerbung an der Straßenbahnhaltestelle Luisenstraße, und zwar für Großpackungen, weil man da mehr sparen kann. Offenbar ein Mann hält zwei Großpackungen in der Hand, die mit einem abschreckenden Foto und dem Hinweis „Rauchen mindert ihre Fruchtbarkeit“ versehen sind. Seit einigen Jahren müssen auf sämtlichen Raucherverpackungen solche Hinweise prangen, damit der Konsument merkt, dass er nicht nur raucht, genießt und spart, sondern eventuell auch davon krank wird oder an Folgeerkrankungen stirbt. Viele verschiedene, teils gruselige Bildchen habe ich schon in den Warteschlangen im Kassenbereich gesehen und dabei gedacht, wäre ich Raucher, könnte ich in einer Raucherrunde ein geselliges Krankheitsquartett spielen. Je nach Bild kann man sich gegenseitig ausstechen, und der Sieger bekommt einen neuen Glimmstängel. Wie beim Skat kloppt man die Tabaktüten vor sich auf den Tisch und ermittelt den Sieger – Arterienverkalkung schlägt schlechte Zähne, z.B. Bei anderen Bildern dagegen wird die Wahl, was schlimmer ist, schwierig. Naja, aber ich rauche nicht und habe deswegen keine Gruselbildchen zum Stechen.
Jedenfalls beinhaltet diese Zigarettenwerbung nicht nur den kessen Slogan „Rauchen, genießen und sparen“, sondern hat als Warnung noch die drohende Unfruchtbarkeit im Gepäck. Die Kombination aus beiden ist merkwürdig, grotesk und zum Brüllen gleichzeitig. Hat da keiner vorher nochmal draufgeguckt? Oder steckt da ein Plan hinter? Eine subtile Botschaft? Ist das die böse Idee des Werbegrafikers, der seine Frau und seine Kinder hasst? Möchte er unterschwellig auf die Gefahren einer Familie aufmerksam machen, indem er zum Slogan „Rauchen, genießen und sparen“ das Bild von Unfruchtbarkeit gesellt?
Ich stelle ihn mir vor, diesen Typen mittleren Alters, nennen wir ihn Ernst. Ernst ist schon ein wenig eingeschrumpelt und ausgesaugt von seinem anstrengenden Job und den Wünschen seiner Familie. Er hat auch nur noch drei Haare auf dem Kopf, den Rest hat ihm seine Familie vom Kopf gefressen. Genervt sitzt er an seinem nächsten Projekt, denn der nächste Urlaub in der Türkei wird wieder nicht billig. Und während er an der Zigarettenwerbung arbeitet (er arbeitet von Zuhause), nerven ihn seine Kinder, sie bräuchten ganz dringend und SOFORT dieses neue Playstation-Spiel, das gerade alle spielen, und außerdem hat der Kleine seine Cola auf Ernsts Zigaretten-Stopfstation verschüttet, wo schon die fertig gestopften Vorräte für die nächsten zwei Tage liegen; seine Frau macht Alarm, weil er schon wieder nicht mit will zu Tante Hedwig nach Blankenburg, und dabei freut sie sich doch jedes Mal so, wenn er dabei ist. Sie schnattern und reden und nerven vor sich hin, während Ernst versucht, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Und irgendwann ist dann der kritische Punkt erreicht -Ernst sieht rot. Er könnte jedes Bild aus dem Raucherquartett für das Projekt nehmen, die schlechten Zähne zum Beispiel, meinetwegen auch das Raucherbein. Aber ganz bewusst sucht er das richtige Bild zu seiner Situation. Und zum Slogan:
Familie? Euer Ernst?! Raucht lieber (ist außerdem eine günstige Verhütung), spart (Geld für eine kaufwütige Ehefrau und undankbare Blagen) und genießt (allein)! Bäm!! Das ist mal ne´ harte Nummer. Ich lache noch darüber, als ich in die Straßenbahn einsteige und in Richtung Innenstadt fahre. Armer Ernst. Ob er wohl am Ende doch noch mitmusste zu Tante Hedwig?
Ernst? Ach komm, jetzt schmoll doch nicht. Ernst? Hallo?...aber Ernst hat keine Sprechstunde mehr. Er hat sich auf dem Klo eingeschlossen, qualmt feuchte Zigaretten mit Colageschmack und wartet, dass seine Familie nach Blankenburg fährt – ohne ihn. Und mir bleibt seine Werbebotschaft.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen