Donnerstag, 24. Oktober 2019

hands up, Baby, hands up

In meiner Kindheit und Jugend wurde ich von allerlei Künstlern geprägt, die für mich auch heute wohl unvergessen sind. Darunter auch Samy Molcho.
Ich habe gerade mal das worldwide web bemüht und geguckt; er lebt sogar noch.
Den fand ich genial. Er war im Gesicht geschminkt, hatte weiße Handschuhe an, solche aus Baumwolle, und hat auf der Bühne alle nachgeahmt. Richtig, ein Pantomime. Ohne sprechen, nur mit Mimik und Gestik. Und er konnte alles, einfach alles darstellen, nachahmen, dem Zuschauer Handlungen, Charaktere und Stimmungen begreiflich machen und verständlich rüberbringen. Sogar ich habe es dann kapiert.
Später schrieb er Bücher und gab sogar auch Seminare zum Thema „Körpersprache“. Neben dem gesprochenen Wort nun eben DAS Kommunikationsmittel Nummer zwei.
Ja, und watt hat datt jetzt nu’ mit’de bronxx zu tun?
Mahaaann, erklär ich doch jetzt... Wir sind nämlich hier im WRG stolze Beherberger vom Nachahmer des Nachahmers Samy Molcho. YES! Quasi Mister S.M. II treibt hier sein Unwesen im Westlichen. Naja, ohne Schminke, aber dafür mit weißen Handschuhen. Die trägt er und trägt er. In die Waschmaschine offensichtlich nun nicht, aber ganz klar mal in die Strampelbutze (die inoffizielle Bezeichnung für mein Fitnessstudio, gell?!).
Was genau macht man in einer Sporteinrichtung mit weißen Baumwollhandschuhen an den Händen? Performen, wat sonst, nicht wahr?!
Und das kann er, der Pantomine-Doublerich, das kann er. Nur zu gut. Auch zwischen den ganzen Geräten ist das für ihn gar kein Problem. Ich habe das mal genau beobachtet als ich da auf meinem Crosser stand und virtuell fast bis nach Timbuktu gelatscht bin.
Er, der S.M. II, trainiert ein Gerät des Zirkels und macht danach pantomimische Akrobatik, die der seines großen Vorbildes in keinster Weise nachstehen. Gestik und Mimik arbeiten perfekt zusammen, die Hände werden dramatisch theatralisch vom Körper weg in alle Richtungen gespreizt, wobei auch keine ausgelassen wird – ich habe nachgezählt -, die Augen werden gerollt, das Gesicht verzogen und das Ganze entsprechend auf die Handbewegungen abgestimmt. Fast tänzerisch wirkt jede seine Extraeinlagen, die es exakt nach jedem Gerät aufs Neue gibt. Seinem Publikum soll es dabei auch nicht langweilig werden und so ist sein Bewegungs- und Einfallsreichtum gewaltig gut ausgebaut. Die Moves passen perfekt, die Augen folgen ihnen hinterher und die weißen Handschuhe kommen perfekt zur Geltung. Und da macht es auch nichts, dass sie schon reichlich grau sind in den Handinnenflächen. Das tut dem ganze Auftritt so gar keinen Abbruch tun. Nein! Im Gegenteil. Und das Original wäre stolz auf ihn und sicher noch stolzer, wenn er sich auch das Gesicht dazu entsprechend schminken würde. Aber sicher hat sich Nummer zwei gedacht, dass das wohl echt’n kleines bisschen lächerlich ist in so’nem Fitnessstudio da auch noch angemalt anne Metallgeräte da rum zuturnen und Gewichte zu stemmen…
Das muss das Publik so hinnehmen, das hilft alles nüscht. Er ist so gut und so gut und wir wollen mal nicht so kritisch sein, hier bei uns inne bronxx, gelle?!





Donnerstag, 17. Oktober 2019

Sag mir wo die Drogis sind

 „Sag mir wo die Drogis sind, wo sind sie geblieben?“
Tja, das fragten sich so oder so ähnlich seinerzeit schon Marlene, Nana, Juliane, Hannes und überhaupt. Und Pete Seeger sowieso. Der hat damit ja überhaupt mal angefangen. Mit dieser Fragerei und jetzt hauen wir im WRG auch noch in diese Kerbe:
„Sag mir wo die Drogis sind, was ist gescheh’n?“
Wisst ihr auch nicht, oder?
Keiner weiß es. Und ich habe vergessen, Norbert zu fragen.
Wer ist nun wieder Norbert, werdet ihr Euch fragen… Der geneigte und vor allem regelmäßige Leser (w/m/d, janz modern also, damit hier keiner meckert) wird sich an ihn erinnern. Der Mann, der zu allen Tages- und Nachtzeiten den Bauchladen mit dem ganzen Spezialnaschkram drin am Wohnzimmerfenster zur Straße hin feilbot. Is klar jetzt?!
Genau der hat vor ein paar Wochen den Großteil seiner Möbel eben durch dieses Fenster rausgehoben. Und das war kein Verkauf. Nee, das war ein Originalumzug. Ich kam gerade von der Arbeit, rollte auf meinem Rad an seiner Bleibe vorbei und stoppte abrupt als ich das alles sah. Fuhr kurz weiter, hielt wieder an, stieg ab und lief zurück. Zu Norbert und seinem Fenster.
„Hallo, sag’ mal, ziehst Du aus?“ Er grüßte zurück, lächelte und meinte dann:“ Ja, mache ich. Du, was soll ich noch hier? Ich muss hier weg, mich hält hier nichts mehr. Ich gehe zu meiner Familie.“
Puh, ich musste erstmal schlucken. Das waren ja Neuigkeiten. Und die so mittendrin nach Feierabend auf hungrigem Magen… Ich war echt richtig ein bisschen schockiert und auch traurig. Nun macht sich quasi DIE Institution der bronxx, DER Dreh- und Angelpunkt der Szene hier, DER Vatti für alle hungrigen jungen und alten Seelen aus dem Staub und verlässt die hood. Das ist schon echt 'ne Ansage und ein absoluter Einschnitt!
Zurück bleiben die leere Wohnung, das zerschlagene Fenster zum Hof (ja, genau das, was hier vor Jahren schon mal Thema war, morgens um 4 Uhr quasi) und die eingeklemmte Gardine im Küchenfenster nebendran.
Meinem Weltmeistertänzer-Nachbarn fiel das letzte Woche erst auf, als wir uns – gefühlt nach Jahren – endlich mal wieder vor der Tür begegnet sind:
“Du sach’ ma, ist Norbert ausgezogen?“ Ich nickte und erzählte ihm die ganze Story.
Daraufhin betretenes Schweigen beiderseits. Norbert nicht mehr da und die action rundum die täglichen und nächtlichen Besucher, die ganz ganz schnell und dringend an sein Fenster bollerten und lautstark rufen mussten, fehlen uns jetzt schon.
„Wann wird man je verstehen? Wann wird man je verstehen?“
So endet das Lied, was ich anfangs zitiert habe und so endet auch die Geschichte von Norbert in unserem blog. Mach’s gut, dude, pass' gut auf Dich und Deine Jungs auf und vergiss uns nicht so ganz. Hier bei uns inne bronxx…

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Peter, la Fontaine

Und es war Sommer. Und er lag in seinem Schlafzimmer unter einer leichten Decke und schlief. Es war warm, ja heiß, selbst unter dem hauchdünnen Laken, das seinen Körper nur mäßig bedeckte. Das Fenster war geöffnet und erfüllte den stickigen Raum wenigstens ein bißchen mit frischer Luft.
Es war ein heißer Sommer in diesem Jahr und das Fenster hin zur Straße hatte all' die Tage nicht wirklich für Abkühlung sorgen können. Das Einschlafen war ihm schwergefallen, F. schwitzte und es dauerte lange, bis er sich halbwegs in den Schlaf gewälzt und die Müdigkeit ihn endgültig übermannt hatte.
Inmitten der Nacht wurde er wieder wach. Ein Geräusch drang an sein Ohr und weckte ihn auf. Nein, es war keine Mücke und auch nicht die Autotür eines unbedachten Spätheimkömmlings. Es war eher so ein Plätschern, wie ein Wasserstrahl. Kein richtig intensiver, aber dennoch etwas unüberhörbar Feuchtes. F. wurde langsam wach und wacher und sich dessen gewahr, dass das Geräusch nicht aus der Küche oder dem Bad kam sondern sich von draußen durch das offene Fenster den Weg an sein Ohr bahnte. Nun packte ihn die Neugier und der helle Mond wies ihm den Weg zum Fenster, auf das er sich langsam zubewegte. Die Umrisse einer menschlichen Gestalt zeichneten sich da draußen auf dem Bürgersteig ab und dieses Bild nahm an Schärfe zu, je näher er seinem Fenster kam. Richtig, dort draußen stand ein Mann, gut 1,80 m hoch, mit dem Rücken zu ihm gewandt, die Hände vor dem Unterleib haltend. Was sie da taten konnte er nicht sehen, aber der Wasserstrahl, der sich den Weg aus der Körperregion plätschernd in Richtung Straße bahnte, war nicht zu übersehen.
Er traut seinen Augen nicht, in der hellichten Nacht entleerte jemand ungehemmt und ungeschützt seine Blase. Die Fontäne schien unerschöpflich der Quelle zu entspringen und der Wasserwerfer schien seiner Sache auch irgendwie nicht müde zu werden.
F. war sauer, weil er nun richtig wach war und das alles wegen so eines Kerls da draußen. Er trat wütend ans Fenster und fuhr den Wassermann harsch von hinten an: "Ey, Stück Klopapier dazu?". Der Besprochene drehte sich um, F. hoffte inständig, dass die Bewegung nur soweit reichen würde, wie es seine erwachten Augen eben gerade ertragen konnten. Peter, la Fontaine hatte sichtlich Mühe bei der Wortfindung und stammelte zurück: "Wa, wa, wa, was wi..st Du von mir, hä? Ich muss ma pisssen un un und jetz' lass mich, ich ha ha hab zu tun. Siehsse doch. Hau ab, Alter!" 
Sein Springbrunnen plätscherte derweil weiter und er wandte sich diesem wieder voller Aufmerksamkeit mit Aug' und Hand' zu. Denn, er hatte ja zu tun und wie konnte F. ihn dabei stören. Und schon gar nicht mitten in der Nacht....
Und er gab sein Bestes. Natürlich. Er richtete seine Mission, trotz der widrigen Umstände, zielsicher und frontal auf den roten Hydranten, der sich am Randes des Bürgersteiges befand und ließ ihm keine Wahl. Er bekam sein Wasser, auf jeden Fall. Das ist wichtig. Oberste Bürgerpflicht sozusagen. Und er, seines Zeichens, Peter, la Fontaine, fühlte, dass es allein sein Auftrag war, diese Mission zu erfüllen. Komme, was und wer da wolle. 
Er war der Held, der wahre und einzige, der rettende Wasserspender für durstige Hydranten... hier, bei ihm inner bronxx!

Freitag, 4. Oktober 2019

Und täglich grüßt das Sonderangebot

Guten Tag allerseits, heute kommt mal ein Gastbeitrag von mir, einer Zugezogenen im Westlichen Ringgebiet. Und das hat folgenden Grund: Täglich streife ich durch die Straßen, zusammen mit unserem Nachwuchs, dem kleinen Minibürger, im Kinderwagen. Dabei fallen einem ja nach einer gewissen Zeit auch die kleineren Details in den Straßen auf. Und eines springt mir seit einiger Zeit ständig ins Auge. Davon habe ich dem Bürger M. berichtet und der hat gesagt, ich könne das mal für den Blog hier aufschreiben. Also los!

Immer wieder findet sich an den Häuserwänden die Aufschrift “99Ct“. Kein Sonderangebot, sondern eine Wandschmiererei, wie mein Opa sicherlich gesagt hätte. Erst habe ich nicht sonderlich darauf geachtet, aber egal wo Mini und ich laufen, es ist nicht zu übersehen. Stets der gleiche Schriftzug, das t mit doppeltem Strich, wie man es auch im Eurozeichen findet.  Manchmal mit Pfeil und Schlangenlinien verziert, in unterschiedlichsten Farben.  Ich frage mich, wer dieser 99Ct wohl sein mag. Die GleichstellungsbeauftragtInnen mögen es mir verzeihen, dass ich einen männlichen Sprayer dahinter vermute, welche Frau sollte sich 99Ct nennen?! Würde sie damit ausdrücken wollen, dass sie ein echtes Schnäppchen ist, sie sich unter Preis verkauft? Nee, das glaube ich nicht.

Als erstes dachte ich natürlich an eine Fortsetzung von 50 Cent, erinnert Ihr Euch noch an den den? "In da Club" und so. Vielleicht ein kleiner Gangsta Rapper, der sich so bekannt machen will, nur noch viel besser und daher nicht nur 50, sondern 99Ct wert... Allerdings ist unser Braunschweiger 99Ct ein Europäer, der nicht mit Dollar, sondern Euro rechnet, und dazu noch ein echter Mathefuchs! Denn an einer Wand steht doch tatsächlich sein Name als kleine Rechenaufgabe: „1€ - 1Ct“ ! Kein Witz! Welch Highlight auf meiner Runde, ich habe gleich ein Foto davon gemacht. Da hat das deutsche Bildungssystem also doch nicht versagt und man sieht endlich, dass Mathe doch noch für etwas zu gebrauchen ist.

Tja, und seitdem suche ich aktiv nach seinen Tags und frage mich, was er uns damit wohl sagen möchte. Die Idee, dass Herr Rangel und seiner Supermarktcrew dahinter stecken, habe ich schnell wieder verworfen, die hätten doch sicher dazu geschrieben, was jetzt 99Ct kostet, zum Beispiel „Aromatische Tomaten, 250g Schale“ oder sowas. Also eher unwahrscheinlich. Vielleicht ist er aber ja ein Sparkassenkaufmann auf Abwegen. Einer, der nach Kassenschluss etwas Nervenkitzel sucht und nachts Anzug und Krawatte gegen Kapuzenpulli tauscht und fremdes Eigentum mit den Symbolen des Kapitalismus bemalt. Man weiß ja nie...

Im Internet findet man keine verwertbaren Ergebnisse dazu, nur Sonderangebote für Dieselkraftstoff und schwedische Batterien. Aber so doof wäre 99Ct sicher auch nicht, im Netz auf sich aufmerksam zu machen. Mittlerweile weiß ich aber schon, dass er früher auf dem Ringgleis aktiv war – seine Schriftzüge sind dort schon verwittert und deutlich älter als hier bei uns in den Straßen. Jedoch habe ich erst heute einen weiteren interessanten Fund gemacht: „99CHEF‘$..“ steht dain gelben Buchstaben auf einem Holzzaun. Ein Fan? Oder steckt ein gewisser Größenwahn dahinter oder aber sogar eine Kampfansage an andere Sprayer? Ich glaube, wir werden noch mehr von ihm hier sehen. Eigentlich schade, dass ich nicht nachts mit Mini auf Tour kann, sonst könnte ich ihn glatt mal auf frischer Tat erwischen, unseren 99Ct.

Aber ich bleibe am Ball und verfolge gespannt seine „Werke“ – wenn auch in der Hoffnung, dass es nicht unsere Häuserwand erwischt! Achtet mal darauf, 99Ct hat sich auch sicherlich in eurer Nähe verewigt, hier bei uns in der bronxx ...