Donnerstag, 25. August 2016

Gemüse. Mann.

Es war ein Samstag im Sommer. Ich bin wieder am Vormittag mit meinem pinkfarbenen Einkaufskörbchen losgezogen in Richtung Supermarkt. Ein allwöchentliches Ritual. Übern Franky huschen, bronxx-Bewohner beobachten, die Lage im WRG peilen und dann schnell wieder zurück ins Wochenende.

Franky - so nennen die Eingeborenen hier liebevoll den Frankfurter Platz. Die Stadt hatte ja so einiges daran gesetzt, ihn einladender und bunter zu gestalten. Die WRGler nehmen ihn so an und hin. Man trifft sich dort Sommers sowie Winters, bechert und zecht, spielt Fußball, trinkt Kaffe und feiert ein paar Feste.
Doch heute fehlte etwas wichtiges auf dem Platz. Es fiel irgendwie gleich auf: der Marktstand und sein Besitzer waren nicht da. Ach herrje... Das fühlte sich nicht gut an. Der Besitzer ist auch nicht mehr ganz so jung. Da kommt Frau Drama-Kopfkino schon mal auf traurige Gedanken.
Doch, wen sollte ich jetzt fragen? Sein Name fiel mir nicht ein und er wird wohl auch niemandem vorher bescheid sagen, wenn er mal nicht mehr kommt.

Der sehr freundliche Herr war mir echt voll sympatisch geworden. Eines Tages hatte ich nämlich meinen ganzen Mut zusammen genommen, ihm von unserem blog erzählt und ihn nach seiner Geschichte hier in der bronxx gefragt. 

Er freute sich sehr über mein Interesse und wusste viel zu berichten. Seit vielen Jahren hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, unsere bronxx hier mit frischem Obst, Gemüse und Eiern zu versorgen. Und so steht er Samstag für Samstag immer am selben Platz - schräg rechts vor dem Bäcker an der Mauer - und bringt Lebendigkeit, Gesundheit und Landleben ins WRG.

Und siehe da, sein Stand ist ständig gut besucht. Es ist immer was los bei ihm. Stets begleitet von einem netten Plausch wandern Spargel, Kartoffeln, Spinat, Erdbeeren oder was die Saison sonst so von Baum, Busch und Boden abwirft in die Tüten.
Zivile Preise, eine solide Auswahl und Beständigkeit bei Wind und Wetter machen ihn zum Mann des Wochenendes.
Bis auf eben heute... Da war er einfach mal nicht da.
Da half nur hoffen und abwarten.

Eine Woche später fieberte ich dann richtig dem neuen Saturntag entgegen und war gespannt. Ich zog früher als sonst los, denn ich wollte es wissen. Wo war der Marktmann?
Um die Ecke beim Franky flatterte mir schon die wimpelartige Plastikmarkise des Standwagens entgegen... Gott sei Dank, er war heil und ganz und noch da. Der Gemüsemann. Er strahlte mich an: "Die lauten Schritte kenne ich doch, das kann nur die Dame mit den Stiefeln und den Absätzen sein...".

"Gut, dass Sie wieder da sind. Ich habe Sie vermisst und dachte schon, Ihnen sei etwas zugestoßen", begrüßte ich ihn.
Er lächelte verlegen: "Wirklich, Sie haben sich Sorgen um mich gemacht und ich wurde hier vermisst?"
Dann erzählte er mir, dass er sich aus personellen Gründen dafür entscheiden musste, allein in seinem Laden zu bleiben und den Stand in der bronxx nicht aufbauen konnte.

Wer hätte das gedacht? Neben all dem Ranz und Rotz gibt es hier auch solche Menschen.
Danke an diesen Mann, der auf seine Weise den guten Stoff zu uns bringt Im Wagen auf dem Franky, frisch vom Feld. Zur Stärkung. Möge er uns noch lange erhalten bleiben und nur mal zum Urlaub wegbleiben... Hier bei uns in der bronxx.

Donnerstag, 18. August 2016

Ringlein, Ringlein, Du musst rappen

Schon von außen ist eine geschnitzte exotische Holzfigur an der Hauswand zu sehen. Und auch die Deko im Schaufenster verrät uns alles über die Auslagen im Laden: Waren aus aller Welt.
Und so heißt er auch, der kleine süße Laden, schräg gegenüber vom Harte-Erdbeeren-Supermarkt und natürlich auf der selben Straßenseite der einstigen Apotheke.


Mit ganz viel Liebe zum Detail wird dieses schon über Jahre in der bronxx ansässige Geschäft von einem Pärchen geführt. Junggebliebene Althippies, die vermutlich zweimal im Jahr mindestens nach Indien, Nepal oder sonstwo in Fernost reisen, um die neuesten Waren für die Containerverschiffung nach Braunschweig klarzumachen.

Ketten, Armbänder, abgefahrene Messengerbags, siebziger Jahre Wanduhren, witzige Geldbörsen, Lampen, Kinkerlitzchen und Ringe. Ganz wichtig. Frau braucht ja immer was Klobiges anne Pfoten. Und so fand mein Herz eines Tages im Sommer zweitausendvierzehn ein Fingergeschmeide, das laut und herzzerreissend "Mama" aus dem Schaufenster rief.

Hach, war ich verliebt in das Teilchen. Es ging mir nicht mehr aus dem Kopf und nun wollte ich es dringend aus den Auslagen dieses Ladens befreien. Der Preis sprach so gar nicht dagegen. Ich musste ihn nur noch über meinen Finger stülpen und gucken, wie er sich dort machen würde.

Doch, wann immer ich das Paradies der Waren aus aller Welt betreten wollte, stieß ich auf eine verschlossene Tür. Die Öffnungszeiten und der Einkaufsurlaub der Shop-Besitzer kollidierten mit meinen freien Zeiten...
 

Ich blieb jedoch tapfer dran und hatte nach Wochen Glück. Alle da, Tür offen, aber was war das... Schaufenster umdekoriert, Ring weg... Egal, versuchen! Das kleine Glöckchen an der Ladentür ermutigte mich umso mehr, mein Ringlein zu suchen.
Yes, mithilfe der Besitzerin fand ich ihn, zusammen mit anderen Schätzchen, in einem ganz versteckten Winkel. Da war er. MEIN Rapperring: Eckig, klobig, quadratisch, mit vier Flächen. Diese Flächen waren mit unterschiedlichen Motiven verziert. Dem Union Jack, einem Kassettenrecorder, einer Kassette und - jetzt haltet Euch fest - einem Plattenspieler mit einer LP und einer Nadel am Plattenarm. Oh mein Gott, besonders dieses Miniaturgebilde hatte mir schon beim ersten Anblick das Herz gebrochen.

Ganz andächtig zog ich das heilige Teilchen auf meinem Zeigefinger. Ein wenig wackelig war er, aber egal. Ich wollte ihn! Genau dort. Ich drehte ihn hin und her und testete die Optik der verschiedenen Motive an meiner Hand. Streckte sie weg vom Körper und spreizte die Finger. YES, das war mein Schätzchen! Und bevor er wieder weg war, kaufte ich ihn. Dann war er endlich bei mir.

Und siehe da, Weihnachten lag er brav - als Geschenk meines Sohnes an mich - unter unserem nicht vorhandenen Weihnachtsbaum. Ja, wir sägen keinen mehr ab für drei Tage rumstehen, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Jedenfalls wohnt nun mein Rapperring bei mir, wird zu besonderen Gelegenheiten ausgeführt und natürlich auch bewundert.
Ich bin stolz auf dieses Geschmeide und trage besonders gerne den Plattenspieler sichtbar am Finger. Wenn es mal langweilig ist woanders. Dann drehe ich an der LP auf dem Teller und lausche glücklich. Denn den guten Sound machen wir selber... Immer, hier bei uns in der bronxx...

Donnerstag, 11. August 2016

Der Minnesänger von der bronxxweide



Ich war schon wieder wach und schaute panisch auf die Uhr. Gott sei Dank, ich hatte nicht verschlafen und konnte mich nochmal umdrehen. Es war erst kurz vor halb zwei und so blieb mir noch genügend Zeit bis zum Beginn der Frühschicht.
Schichtdienst ist echt heavy. Nicht nur das frühe Aufstehen. Nein, auch immer die Angst dabei, genau das zu verpassen und tierisch zu verpennen. Manchmal ging es gut und ich war entspannt. Dann verließ ich mich auf meinen Wecker und schlief einfach durch. Heute irgendwie nicht so. Also, weiter versuchen.

Ich drehte mich auf die andere Seite und löste eine neue Fahrkarte ins Land der Träume. Doch kurz vor der Abfahrt des Zuges stand ein Straßenmusikant am Bahnsteig. "Baby, baby, please take me home and let me be your lover for tonight..., : drang es flehentlich in mein Ohr. Ich so: "Och nö, ich muss morgen früh raus und will jetzt endlich wieder schlafen."
So schnell gab er sich jedoch nicht geschlagen und legte noch einen nach. Abermals mit einer gehörigen Portion Schmalz um die Noten.
Ich riß die Augen auf und saß senkrecht in meinem Bett. Oh man, ich war gar nicht im Zug. Und auch den Minnesänger unterm Zugfenster gab es nicht. Zumindest sang er nicht auf dem Bahnsteig. Nein, er tat es direkt aus dem Fenster schräg unter mir. Dort gab er jetzt alles. Er war drin im flow. Es lief super für ihn. So gut wie nie zuvor. Er baute Improvisationen auf der Gitarre mit ein und sein Produzent wäre sicher sehr stolz auf ihn gewesen. Diese Aufnahme hätte es auf die CD geschafft. Auf jeden.

Der zweite Song folgte nach einer kurzen Pause. Diesmal ohne Klampfe. Einfach so. Pur. Er hatte sich Mut angesungen und nun war alles möglich. Alles.
Bei mir in meinem Kopf auch: von rumbrüllen über Eimer Wasser versuchen rüberzuzielen bis hin zu einseinsnull rufen.
Mir reichte es. Erstens wollte ich ihn nicht heute Nacht mit nach Hause nehmen und zweitens genügt einmal anfragen. Ich wollte schlafen. S C H L A F E N! Und nicht jungen Kunststudenten bei ihren geistigen und musikalischen und sonstwas für Ergüssen zuhören. Ich wollte nicht nachts um halb zwei stumme Zeugin seiner CD-Produktion sein. Da half nur Stecker ziehen. Und zwar ganz schnell.
Ich sprang aus dem Bett, Gardine beiseite, Fenster auf:
"Ey, Alter, ich mag Musik. Alles okay. ABER NICHT NACHTS UM HALB ZWEI! Sieh zu, dass hier Ruhe ist, oder ich rufe die Polizei."
Sofort wurde es ruhig im Studio gegenüber. Der Barde verstummte. Es war mucksmäuschenstill und nur das Schließen seines Fenster verriet noch seine Anwesenheit im Dunkel der Nacht.

Ich ging wieder zurück in mein Bett, drehte mich um und schlief dann müde ein. Diesmal fuhr der Traumexpress allein und ungestört vom Bahnsteig ab. Ohne Minne. Ohne Sänger. Ohne Klampfe. Und bis heute hat nie wieder jemand unter meinem Fenster gesungen. Weder für mich noch für irgendein baby.
Am frühen Abend wäre das eigentlich kein Problem, denn da bin ich ja noch wach. Aber da traut sich bestimmt keiner. Tja, happy endings in Märchen und old school kann ich mir von der Backe schmatzen. Schließlich wohne ich hier. Hier bei uns in der bronxx...

Donnerstag, 4. August 2016

Wenn der Paketmann zweimal klingelt...

Auch dieser Titel ist bekannt. Nur eben anders. Ich hoffe, Euer Kopfkino läuft.
Und das ist auch gut so, denn nun können wir Euch bequem auf eine ganz andere Bilderreise schicken:

Vom Job aus bin ich selten am ganz frühen Nachmittag zuhause. Ich arbeite eher so nine to five und haben eben erst dann Feierabend. Ganz schlecht also für diverse Dienstleister, die immer irgendwie genau in dieser bösen Nachmittagszeit krampfhaft versuchen, ihre Kunden zu erwischen. Eigentlich schon an sich widersprüchlich ohne Ende. Aber so läuft das hier. In der bronxx und in der ganzen weiten Servicewüste. Als Kundin bleibt mir nichts anderes übrig als die kleine A-(Post)karte aus dem Kasten zu ziehen und mir dann binnen einer Woche die Beine in kilometerlangen Schlangen vor der Hauptpost in den Bauch zu stehen. Voll ätzend, langweilig und überflüssig. Oder? Ich überlege jedesmal, ob ich wirklich lieber nix mehr bestelle...

Mein Kollege ist inzwischen so schlau, sich das Zeugs auf Arbeit liefern zu lassen. Hat Vorteile. Und neugierige Kolleginnen inklusive.

Zurück zu meiner Hütte, meinem Paket und meiner Klingel. Und dem Tag, an dem ich mal Glück hatte mit Der Heiligen Lieferantenschaft. Ich war echt zuhause, als er - ganz in echt - klingelte. Unglaublich!
Ich also an die Gegensprechanlage (jaha, jetzt passt se uff) und fragte, wer da sei. "Ein Paket für Sie.":dröhnte es zurück aus dem Hörer. YEAH! Ich freute mich und rannte völlig aufgeregt in meiner Butze umher. Meine langersehnte Bestellung, die ich ganz gleich in den Händen halten würde. Und ich muss nicht wieder zur Ausgabestelle gurken und so weiter und so fort. Wie geil!!! Hach,gerettet!
Nach gefühlten acht Minuten holte mich die Türklingel unvermittelt aus meiner selbstvergessenen Hausparty ab.
Hä, wer war das denn jetzt schon wieder? Heute wollen ses aber auch wieder wissen. Riechen, dass de Muddi zuhause ist..
Ich gehe zur Gegensprechanlage und frage ziemlich genervt: "Ja?".
"Ahm, ich wollte ihnen eigentlich ihr Paket hochbringen..."
Oh mein Gott, Der Heilige Lieferant. Voll vergessen...
Und der arme Kerl stand die ganze Zeit da unten vor verschlossener Tür und hatte brav gewartet.
Ich drückte nun endlich den Türöffner und befreite den gebeutelten Dienstleister. Er kam nach oben geflitzt, völlig verschwitzt und mit einem Schächtelchen in der Hand, das er mir etwas irritiert übergab.


Tja, es gibt auch noch gute Paketmänner auf dieser Welt und sogar hier inne bronxx. Die arbeiten ohne Klingelstreich und bimmeln sogar zweimal bisse reingelassen werden.
Ich bin ja nich so...