Donnerstag, 30. März 2017

Mach mal wieder blau

Schon wieder ein Slogan aus meiner Kindheit. Kennt ihr vielleicht heute auch noch? So im Sinne von: mal alles nicht so engsehen, mal abschalten. Mal die Arbeit Arbeit sein lassen.

Tja, und wo wäre diese Bedeutung wohl besser aufgehoben als in unserem allseits beliebten Arbeitsamt... Schon per se eine Farce, dass die eine Zweigstelle ausgerechnet hier bei uns im WRG ansiedeln mussten. Früher war ja auch die ARGE da mit drin und bei. Später liebevoll und in denglish auf jobcenter umgetauft.
Es gab da alles andere, nur keine Jobs. Geld gab es, das sogenannte ArbeitsLosenGeld II. Mehr nicht, weil weniger war dann eben mehr.

Heute wohnt das Jobzentrum am Bahnhof in der Toblerone und die einst in der bronxx genutzten Räumlichkeiten am Cyriaksring stehen leer. Jedenfalls tagsüber. Trostlose Erinnerungsstücke aus Zeiten, die nicht gut aber alt waren. Ungenutzt verlassener Platz in den roten Gebäuden.

Denkste... Und wir wären ja nicht die bronxx, wenn hier nicht wieder irgendwas anders wäre als woanders, nicht wahr?!
Richtich: eines Abends gehste mal nen anderen Weg nach Hause, vorbei am alten Amt äh center. Es ist dunkel und Du guckst so am großen Häuschen hoch und bämm siehste auf einmal zwei blaubeleuchtete Fenster.
So'ne Farbe wie Du sie von der Rundumleuchte der Polizeiautos kennst. Und Du denkst Dir so: "Hä? Was'n das da?" Du bleibst unwillkürlich stehen und Deine Fantasie fängt an, auf Hochtouren zu laufen. Bestimmt geht da gerade irgendwas ab, was nicht wirklich gut ist... Du willst die Lage genau beobachten, gucken, ob Du Menschen oder zumindest bewegte Schatten wahrnimmst.
Du wartest völlig gespannt und dennoch ganz brav auf Aktion da oben. Aber es passiert nichts im Fensterkino. Stille. In helles kobaltfarbenes Licht getaucht.
Dein Kopf sucht weiter nach Lösungen: Disko, Blauhaus-Party in einer neuen location. Aber nee, es ist mitten in der Woche.
Vielleicht Proben für ein Theaterstück. Oder ein Verhör: Dreharbeiten zu einem neuen Fernsehkrimi aus Braunschweig. Der Kommissar vernimmt Zeugen. Natürlich ausgerechnet aus dem und im WRG.
Oder, die spanische Tanzfrau gibt diesmal ne Privatstunde im ganz besonderen Ambiente. Wer weiß? Man kann ja leider so gar nichts sehen.
Abhilfe wäre möglich. Wenn man jetzt eine Wohnung in einer der gegenüberliegenden nicht wirklich hübschen Reihenhaussiedlung hätte. So im zweiten oder dritten Stock, dann wäre alles gut.
Das Rätsel wäre gelöst. von da aus hätte man die Lage vollends im Griff.
Jetzt musste wohl ohne eine Antwort nach Hause gehen oder die ganze Nacht hier stehenbleiben und warten, was noch passiert. Haste aber kein Bock drauf und ziehst ab in Deine Hütte.
Sollen doch alle hier machen, was se wollen... Bestimmt waren das wieder so Künstler, die irgendwas abgefahrenes da ausprobieren mussten. So'ne Installation oder wie das heißt. Da wird ja auch meistens irgendwas beleuchtet oder angestrahlt. Keiner versteht dann den Sinn, aber es sieht irgendwie wichtig aus. Meistens haben sich die Künstler auch wahnsinnig viel dabei gedacht und es war voll der Prozess und so. Und, wenn es dann noch gesellschaftskritisch daherkommt, wird es zum Thema "Arbeitslosigkeit" sein und "Mach mal wieder blau" heißen. Weil: Humor und Ideen haben wir ja hier. Hier bei uns in der bronnx.







Donnerstag, 23. März 2017

Aber Klöße und Rotkohl gehen




Neulich abends klingelte das Telefon und meine Versicherung ist dran. Wir machen einen Termin, um meine Versicherungen zu optimieren... Blablabla...
Man weiß ja, was das unterm Strich heißt: zwei bis drei Sachen mehr anner Backe und nen Heiden Kohle, die monatlich dafür weggeht.

Da ich momentan in Ausprobierlaune war und bin, hab ich den Termin zugesagt. Gucken kostet ja noch nix.

Ich dann nach der Arbeit also hin ins Versicherungsbüro. Auch das, gut und nah in der WRG-Nachbarschaft. Ganze zwei Minuten von unserem Häuschen entfernt. Bei Biggis Kiosk umme Ecke. Der Herr von der Versicherung steht manchmal draußen und quarzt eine. Heute saß er am Frühlingsvorabend noch in seinem Büro und kaute an einem Apfel. Ich war fünf Minuten vor der Zeit und so war das Obst noch nicht ganz vom Stengel gegnabbelt.
Er bat mich herein. Ich war schlecht bis gar nicht vorbereitet, dafür er umso mehr. Nun kam der Aufklärungspart bezüglich meiner Haftpflicht- und Hausratversicherungen. Oh oh, innerlich feierte und dankte ich meinem Schutzengel. Fenster auf Kipp, Waschmaschine läuft und ich bin solange im Harte-Erdbeeren-Supermarkt... Das wäre bei Einbruch und Wasserschaden teuer für mich geworden. Jetzt muss ich mit sowas noch gut acht Tage warten, dann zahlt der Versicherungshoschi. Hat er zumindest gesagt. Auch, wenn ich beim Umzughelfen mal was fallen lasse oder mit meinem kleinen Popo inner fremden Bude die Ming-Vase umreisse, er zückt den Scheck. Und dabei huscht ihm immer so ein gönnerhaftes Lächeln übers Gesicht.

Zwischendurch und das sind gefühlt alle zwei Minuten bimmelt, summt und zappelt sein Handy. Ich wäre meinen Job los und seine Schecks würden mir da nix nützen. Nicht mal die Rechtschutz nehme ich an.
Aber er darf das, er ist ja der Boss hier in der Filiale. Selbstständig und so. Und seine Kunden kontakten ihn modern. Über WhatsApp. Tag und Nacht kriegt Vatti Schadensmeldungen ans und ins Bett und eben überall da, wo man nebenbei am Smartphone spielen könnte.
Ihr merkt schon, er ist echt nen Netter.
Er guckt auch brav in der Beratung immer auf sein Bimmelgerät. Bei einer Nachricht lächelt er noch verschmitzter. Ich sehe ihn fragend an. "Das war Mutti. Was es morgen zu essen gibt", haut er allen ernstes raus. Und Stolz schwingt auch noch mit.
"Und?!", ich dann so zu ihm. Er antwortet:"Kaninchen. Lecker."
Als alte Haustierbesitzerin kriechen mir die Tränen innerlich den Kanal im Auge hoch. Aber ich lasse mir nix anmerken. Bloß nicht. Sonst klappt das vielleicht mal mit dem Scheck nicht. Wer weiß.
"Also, wenn es Klöße und Rotkohl dazu gibt, komme ich mit." Mutig provokant sehe ich ihn an. Er grinst breit über alle Backen.
Aber so richtig darauf eingegangen ist er nicht.

Na, ja, jedenfalls kann ich ab dem ersten April meine Fenster wieder auf Kipp machen bevor ich zur Arbeit gehe.
Und morgen sag ich ihm noch bescheid, dass ich die Unfallversicherung auch noch nehme. Mach ich per WhatsApp. Ganz früh. Für ins Bett. Und vielleicht klappt's ja dann auch mal mit den Klößen.

Wer weiß das schon so genau. Es wird nämlich Frühling. Hier bei uns in der bronxx.

Donnerstag, 16. März 2017

Beet

Also, isch habe gar kein Auto. Wisst ihr ja. Ich fahre Rad und so. Nils auch meistens.
Bei uns im WRG ist das auch ne echte Krux mit den Parkplätzen. Genauso anstrengend und Mangelware wie im Östlichen. Da tut man quasi ein gutes Werk, wenn man kein Fahrzeug hat, was hier auch noch irgendwie untergebracht werden muss. Oder Du nimmst den Smart vom Nachbarn, der passt kreuz und quer. Zur Not auch hochkant. Oder Du bildest Dir ein, Dein Kombi sei auch ein bißchen smart und bastelst Dir den kleinsten Raum zwischen zwei anderen für Deine Karre irgendwie zurecht. Passt schon oder wird eben passend gemacht.

Das dachte sich wohl auch der laufende Meter von weiter unten links auf der Straße. So'n schmaler kleiner Typ, rotgesichtig, gelocktes Antlitz und nach Feierabend immer am Rennen. Im Marathonoutfit. Bei Wind und Wetter. Egal, er rennt. Und wenn man so viel läuft - weg vor wem auch immer - muss man ja sein Auto irgendwo lassen...
Vorzugsweise ganz in der Nähe der eigenen Behausung, denn: man hat ja nicht so Bock morgens vor und abends nach Feierabend noch so weit zum Auto zu laufen. Ohne Witz, Freund Jogger mag es zuweilen wohl auch mal bequem. Und da war ihm jedes Mittel recht beim Abstellen. Die gute alte Fahrschule und ihre Vorschriften. Schei* drauf. Kollege Läufig will sein Autochen platzieren und dann macht er das halt mal in der Kurve. Na und? Bronxx bleibt bronxx und die machen die Regeln schon mal nicht.
Also, den ganzen freien Platz am Fahrbahnrand nutzen, Karosse abparken und dann husch husch ins Häuschen. Rennklamotten überstreifen und abhauen. Gesagt getan...

Und eigentlich macht das ja alles nix hier im WRG. Eigentlich... Wäre da nicht die bucklige Nachbarschaft, die immer wieder mal ein Auge werfen muss, wer hier was wann wo wie mit wem tut. In den noblen Gegenden heißt das soziale Kontrolle oder Gardinenpolizei.

Werte WRG-Freunde, streicht heute mal die Gardine. Und dann sind wir bei Polizei. Jaha, wer hätte das gedacht, wohnt doch mitten in der bronxx ein Polizist. Sogar mitten in der Straße vom Jogger. Es kommt obendrein noch schlimmer: zwei Etagen unterm Jogger. Und, ne Gardine hat der auch... Aber braucht er gar nicht. Sein Ticketblock in der Tasche genügt ihm. Den braucht man ja nur ganz galant zu zücken, den Bleistift anzuhauchen und das Nummernschild vom Falschparker abzumalen. Und zack, hat der Ironman ein Zettelchen an der Windschutzscheibe.
Oder im Briefkasten...
Ein Beet, wie der Braunschweiger sagt. Bei sowas wird es plötzlich blumig in BS. Und auch hier in der bronxx.
Tja, kleine Sünden bestraft der liebe Freund und Helfer sofort. Das darf dann auch der kleine Rennemann lernen. Läuft bei ihm, oder?!



Donnerstag, 9. März 2017

Für umme

Ihr kennt das. Diese ganzen kleinen Sperrmüllhäufchen an und in den Straßen. Kleine und große Gegenstände des Alltags werden dort an Hauswänden oder auf Bürgersteigen platziert. Manchmal liebevoll im Pappkarton zusammengestellt oder hineingelegt. Und meist auch mit einem Zettel versehen. Darauf steht dann so etwas wie "Zum Mitnehmen." Oder: "kostenlos". Wir hatten ja seinerzeit schon mal die herrenlose Lebensmittelplastiktüte hier im blog quasi verwurstet.
Diese sogenannten give-aways sind überwiegend kleine Möbelstücke, Haushaltswaren, manchmal auch Klamotten oder nur essbares. Eben so ganz normales ausrabgiertes Zeugs des alltäglichen Gebrauchs, das den Besitzern meist zur Last gefallen ist, nicht mehr begehrt oder sonst wie verwendet werden kann.

Und ganz im Zuge von Wiederverwertung, Müllvermeidung und oft aus Sparsamkeit heraus - denn Sperrmüll anmelden oder abgeben kostet - stellste Deinen Kram einfach anne Straße. Messies und Jäger und Sammler haben eh Hochkonjunktur, da wird sich schon jemand finden, der das mal rucki lecki mitnimmt.
Hat bisher immer geklappt. Ehrlich. Auch bei mir. Sowohl als auch. Ich habe ein per ebay Kleinanzeigen getauschtes Küchenregal auch einfach mal mit einem Zettel versehen nach unten gebracht. Siehe da, innerhalb 'ner guten halben Stunde war das Ding weg.
Ebenso habe ich mal auf einem Spaziergang mit meinem Kumpel ein kleines Tischchen entdeckt. Es war auch als Geschenk auf dem Bürgersteig abgestellt. Ich war happy und habe es dann mitgenommen. So kommt in der Welt halt eins zum anderen und das andere zu ganz anderen. Tolle witzige Idee! Und es werden tatsächlich Müllberge vermieden... D.h. es liegt nicht mehr so viel in der Gegend rum...
Außer... Ihr wisst, was jetzt kommt??? Jaha, richtig geraten: außer hier inner bronxx.


Da läuft das natürlich an manchen Stellen dann ganz anders ab als gedacht. Und das geht dann so: Karton wird beispielsweise an der K-straße rausgestellt. Ganz normal auf den Gehweg. Schön anne Seite. Und auch mit Zettel dran. "Sucht Euch was aus." Also so eine Art "Verschenken deluxe", nämlich noch mit Wahlmöglichkeit.
Überwiegende Anbieter sind Studenten-WGs. Außer ich jetzt, nech?! Die ersten bronxxer gehen vorbei, nehmen sich was mit. Wer zuerst kommt, mahlt auch zuerst. So, das letzte Teil wird aus der Pappkiste gefischt. Nun isse leer. 

Im Östlichen hätte man jetzt bestimmt den Karton mitgenommen und ihn am nächsten Altpapiercontainer ordnungsgemäß verklappt. Brav und ordentlich. Tja, wat macht das Westliche in dem Fall?
Habt ihr eine Idee?
Richtig, das WRG benutzt den Karton als Ablage für neues Krams. Denn, was die verrückten Studenten da können, können andere auch. Mal gucken, was wir noch so für Sachen rumfliegen haben, die weg können. Leere Colaflasche und Kleiderbügel. Prima, habe ich gerade bei und werde das jetzt mal ganz galant los. Und steht ja draußen dran, dass es mit Aussuchen ist...

Tja und dann kann es Dir passieren, das de hier schlendern gehst und dann auf eben genau so eine Verschenkekiste triffst. Und dann guckste erstmal blöd und wunderst Dich über den Müll da drin. Aber, geh mal eine Stunde später dran vorbei. Dann wirst Du merken, dass bestimmt alles weg ist. Gebrauchen kann hier immer irgendwer alles.
Ist ja geschenkt. Kostet nüscht. Ist ja für umme. Und denn noch quasi mit Aussuchen... nur hier, hier bei uns in der bronxx...

Donnerstag, 2. März 2017

Mamfred

Ohne ihn hätte ich diese tolle Wohnung nie bekommen...
Ohne ihn würde ich hier nicht mehr wohnen...
Manfred, mein Freund, Retter, Helfer.

Ich - und nur ich - nenne ihn liebevoll Mamfred. Das bleibt aber bitte unter uns. Ihr lasst das schön bleiben. Sonst bin ich echt geliefert. Damit das schon mal klar ist.

Also Manfred war damals da, als ich mir meine Wohnung angesehen habe. Er hat mir die Tür aufgeschlossen und alles gezeigt. Und ich war sofort verliebt. Also in die Wohnung. Manfred ist schon vergeben. Manchmal fühlt sich das etwas mehr "leider" an. Aber, kannste nix machen. 

Jedenfalls hat Manfred mir mit seiner Anwesenheit sehr geholfen, mich für diese vier Wände zu entscheiden. Und so in etwa alle vier bis acht Wochen ist er eh hier in der Sch-Straße. Dann gibt es was zu repaiereren. Irgendwas ist ja immer an und in so'nem Haus. Früher hatte Manfred noch einen Kollegen. Der ist aber nicht mehr. Die beiden haben in allen Hütten Holzfußboden verlegt, gestrichen und so weiter. Manfred kann alles. Einfach alles.
Und er hilft, wo er kann: wenn meine Flurlampe auf halbacht hängt; er schraubt sie an. Meine Wohnungstür Macken im Holz hat, er lackiert die Stellen über. Die Rauchmelder angebracht werden müssen, er steigt auf die Leiter und zack sind die Dinger dran. Wackelt, passt und hat Luft. Bei ihm immer.

Und, wenn Zeit ist, gibt es auch 'nen Kaffee bei mir. Extra für Manfred. Ab und an auch ein Stück Kuchen dazu. Dann zieht er brav seine Schuhe aus - das ist wie bei meiner Frau zuhause - und dann wird es sich bei mir auf dem Sofa gemütlich gemacht. Dann erzählt er Geschichten aus der Nachbarschaft, von seiner Familie und vieles mehr. Manfred hat dabei das Herz am rechten Fleck und ist ein hervorragender Hobby-Psychologe. Dann sitzt er neben mir, mit seiner Handwerkerhose, seinem Karohemd, seiner Schiebermütze auf, guckt mich warm lächelnd durch seine Brillengläser an und riecht immer ein wenig nach Arbeit und Holz.  


Bald wird er wohl in Rente gehen... Och nö! Wer legt denn bloß ein gutes Wort beim Vermieter für mich ein und bewahrt mich so vor einer Mieterhöhung? Und wer trinkt dann mit unserem türkischen Hausmeister unten im Keller im Kabuff schwarzen Tee und isst seine Stullen und seine Mandarinen?

Mamfred muss dringend bleiben, finde ich. Eine gute Seele. Die beste eigentlich. Hier bei uns in der bronxx.