Donnerstag, 14. Januar 2016

Bei Biggi


Wenn ihr eines Tages mal hier bei uns in der bronxx seid, müsst ihr unbedingt mal im Kiosk vorbei schauen. Bei dem einen, der draußen ein Schild mit der Aufschrift „Der Kiosk“ trägt. Bei dem, der sich unmittelbar am Platz befindet, ganz in der Nähe des Pissoirs und gleich neben den gemauerten Sommersitzplätzen der Bierflaschenprominenz des WRGs.
Ja, genau bei dem.
Der gehört, glaube ich, Biggi. Wobei, ich habe jetzt ihren Namen ein wenig abgeändert, aber auch das Pseudonym ist ja ein Name mit Programm.


Biggi hat immer offen, quasi immer. Egal, wann ich da vorbei komme. Entweder steht die Tür offen oder draußen stehen 2-3 Kunden und rauchen und trinken. Kaffee oder Kakao, denke ich. Und meistens Schnaps und Bier, weiß ich.
Biggi hat diesen Kiosk so lange, wie ich hier wohne und sicher auch schon weit vor meiner Zeit. Ein paar Treppenstufen hoch, eine Tür mit Sichtfenster durchqueren, eine kleine Bimmel läuten und dann befindest Du Dich in Biggis Reich. Rechts der Verkaufstresen mit den üblichen Auslagen, links Regale voller Zeitschriften, Naschzeugs, Getränken. Es riecht nach einer Mischung aus Druck-Erzeugnissen, Tabak, Kaffee und Zigarettenrauch. Wie eben bei vielen anderen Biggis auch.
Eine kleine Miniwelt mit alten Prospekten von der Kirchengemeinde neben Schokoriegeln und kleinen hochprozentigen Lutschfläschchen für Menschen ab achtzehn.
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein. Biggi lebt und lässt leben. Wie im richtigen Leben halt. Da werden Freud’ und Leid geteilt. Im letzten Sommer zum Beispiel gab es irgendetwas zu feiern im Kiosk. An einem Wochenende wurde ein Zelt inklusive Bierzeltgarnitur vor dem Laden aufgebaut und dann gab es eine zünftige Sause mit Grillfleisch und allem Pipapo.
Biggi bindet ihre Stammkundschaft und das zahlt sich auch aus. Jeden Tag stehen draußen vor ihrem kleinen Geschäft immer dieselben Menschen und lassen ihr Geld in das Portemonnaie der Inhaberin wandern. Sicherlich keine Reichtümer, aber es läppert sich.

Mein Sohn gehört eine Zeit lang auch zu den Stammkunden und hat bei ihr im Laden immer nach lesenswertem Material Ausschau gehalten. Anfangs noch an Mutters Hand später mutig alleine die wenigen Stufen hoch, vorbei an dem Begrüßungskomitee draußen.
Ich persönlich gehe immer zu Biggi, wenn ich eine Paketkarte in meinen Briefkasten vorgefunden habe. Denn Biggi arbeitet mit dem blauweißen griechischen Götterbotenlieferservice zusammen, stapelt alles nicht ausgelieferte bei sich im Laden und nimmt auch Versandware an.
Wie praktisch. Es riecht dann immer alles ein wenig nach Rauch, aber dafür habe ich es überhaupt nicht so weit und kann fast Tag und Nacht mein Zeugs abholen oder hinbringen. Dann sprechen wir immer ein paar Worte, oder ich lobe ihre Schaufensterdeko, die sie stets liebevoll gestaltet.
Wie vor 2- 3 Wintern, als sie dort vorne im Ausguck hinter ihrem Verkaufstresen lauter klitzekleine Weihnachtsbäckereiartikel wie in einem Kinderkaufmannsladen hindrappiert hatte.  Zwischen kleinen Backförmchen, Teigrollen, Lichterketten und Weihnachtskugeln hingen Tütchen mit Vanillezucker und Bachpulver. So viel Herzblut kann nur eine Biggi. Für ihren Laden, ihren kleinen Regierungsbezirk und ihre Stammkundschaft.

Und Biggi hat ihre Kunden im Griff. Geht da draußen mal eine Flasche oder dergleichen zu Bruch – kann ja mal passieren im Eifer des Gefechts – dann kommt sie mit Handfeger und Schaufel heraus und drückt es dem Verursacher unvermittelt in die Hand. Dann ist aufräumen angesagt, denn bei Biggi gibt es keinen Müll. Es gibt Ehrlichkeit, Wärme, Bier, Zigaretten und Verständnis und eben auch mal eine Ansage.
Und auch viel Augenzwinkern. Z.B. wenn ich mein Paket abhole und kurze Zeit später die Ladentür wiederum bimmelnd hinter mir aufgeht und ein Stammkunde sich zu uns ins Warme gesellt mit den Worten: „Biggi, noch mal ein Bier für mich.  Das ist dann aber mein Letztes für heute.“  Dann schaut sie erst mich an, grinst und schaut danach zu ihm und sagt: „Ja, ja, ist schon klar. Das erzählst Du mir jedes Mal.“
So ist das eben. Bei Biggi eben.


 

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