Donnerstag, 1. September 2016

Nacktarsch

Also, gleich vorweg für alle Aufreger, besorgten Eltern, die Mäusepolizei und die Moralapostel: gönnt Euch eine Suche im Internet nach dem Begriff "Nacktarsch". Und siehe da, es ist eben nicht nur, was ihr denkt, sondern auch ein Spezialwort für ein sogenanntes Weinbaugebiet an der Mosel. So, basta.
Es gibt nämlich sogar Weinflaschen mit dem Begriff auf dem Etikett. Das lief mir in meiner Jugend vor die Optik. Beim Taschengeldaufbessern bei der Inventur im Supermarkt meiner Heimatstadt.(Muttern, die hier immer - ja immer - fleißig mitliest, wird sich erinnern... Aber das nur mal so am Rande.)


Nacktarsch kannste demnach in Kröv genießen. In der bronxx wird das schwierig. Zum einen: Wein ist viel zu luschig, die Jungs und Mädels hier brauchen was richtiges. Zum anderen: unser local-hero-Supermarkt hat wohl Moselwasser am Start, aber nicht explizit jenes.
Nacktarsch geht in der bronxx anders. Ganz sozusagen.

Es war letzte Woche Mittwoch als ich von einer vierstündigen und dennoch schön kurzweiligen Kulturveranstaltung mit meinem Rad ins WRG zurückfand. Der laue Sommerabend war in das Dunkel der Nacht übergegangen. Zu meiner rechten saßen noch einige Gäste im Gambit. Zu meiner linken auf dem Franky saß eine korpulente männliche Figur mit dem Rücken zu mir. Frisurentechnisch wirkte er so, als hätte man ihn vom letzten Heiligen Abend vergessen. Vergessen auf einem der bunten quadratischen Betonhocker. Auf einem solchen saß eben dieser merkwürdig anmutende Mann und schaukelte gar seltsam hin und her.

Jede(r)andere hätte die Szenerie wahrscheinlich im Augenwinkel gelassen und wäre locker weiter geradelte. Inzwischen kennt ihr ja Eure bronxx-Dramaqueen wiederum gut genug... Ich verlangsamte also mein Tempo. Meine Augen sind im Dunkeln und wohl auch so (ich will aber keine Brille!) nicht mehr die besten. Ich musste ganz genau hinsehen.
Neben dem Wesen stand ein ca. einen Meter hoch bepacktes Fahrrad. Müllsacke, Tüten und allerlei anderes Zeugs stapelten sich - ordentlich getaped - auf dem Drahtesel und sogar ein irgendwie angebundener Stuhl hatte an dem Gefährt noch Platz gefunden. Ein mobiler Scout, ein Mann der sein Obdach los war und alles verbliebene mit sich führte.
Puh, das ist schon heftig und in mir machen sich bei dem Anblick traurige Gefühle im Herzen breit...

Er saß immer noch schwankend auf dem bunten Quadrat. Wahrscheinlich machte er eine Pause bevor er weiterziehen wollte.
Meine Augen hatten sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt (juchuh, ich brauch doch keine Brille!). Und mir wurde soeben- quasi schlagartig - das gesamte Ausmaß der Situation klar. Ich sah zwei- bis dreimal hin und wünschte mir dann doch ne Brille. Denn: Hilfe, ich wollte das nicht sehen, wollte das lieber nicht gesehen haben...

Er saß da mit heruntergelassener Hose, schunkelnd auf dem Farbhocker. Seine Oberschenkel wurden umspielt von den Hosenbeinen und ein Gürtel ragte seitlich in die Luft.
Oh my god... Was tat er da? Ich überlegte kurz, näher ranzufahren. Ich bin eigentlich weitsichtig, so der Optiker vor einem Jahr (ja, ich habe es echt mal testen lassen), aber jetzt sah ich aus der Entfernung eher halbschlecht. Ich war froh. Ehrlich. Und ich entschied, wohlweislich, die schmale, unsichtbare Grenze zwischen Ekel und Faszination n i c h t zu übertreten. Die Regisseurin meines Kopfkinos wollte keine Totale. Das Drehbuch schrieb mir an dieser Stelle vor, ganz schnell den Weg nach Hause anzutreten. 







































Der Popo blieb in meinem Kopf. Ziemlich lange. Bis heute irgendwie. Dabei hatte ich an dem Abend doch nur ein Bier getrunken. Und das kam aus Braunschweig und ebensowenig aus Kröv wie der blanke Hintern. Der kam aus der bronxx. Hier von uns her. Ein bronxxer Nacktarsch. Sozusagen...
Ach, und den Optiker klemm ich mir jetzt erst recht, oder?!




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