Donnerstag, 28. April 2016

Küchenkino

Blick aus dem Küchenfenster. Im Nachbarhaus, eine Etage tiefer. Ein Zimmer. Leer. Eie Glühbirne brennt. Ohne Lampenschirm. Der Raum wird durch das schirmlose Licht in ein merkwürdiges Szenario getaucht.
In der Mitte des Raumes eine Leiter. Das Licht und die Leiter geben diesem Anblick einen skurilen Beigeschmack. Fast gespenstisch mutet das Ganze an...
Besonders, als ich noch zwei nackte Beine auf der Leiter sehe. Ohne Schuhe. Ohne Strümpfe. Einfach nur zwei nackte Männerbeine. Bis zum Oberschenkel hinauf sichtbar stehen sie auf eben dieser Leiter. Nicht mehr und nicht weniger.

Ich erschrecke und halte kurz inne. Was passiert da gerade? Ist es das, was ich denke? Panik! Drama im Nachbarhaus? Sollte ich jetzt ganz schnell handeln? Oder erstmal weiter beobachten? Ob sich was bewegt?
Ich entscheide mich dafür, noch kurz abzuwarten. Lieber einen genauen Überblick verschaffen. Das ist besser. Obwohl, manchmal entscheiden ja schon Sekunden. Über alles oder nichts.
Ich warte. Ich beobachte. Bewegt sich da etwas? Nehme ich eine kleine Veränderung in der Szenerie wahr?

Die Zeit scheint stillzustehen...

Aber jetzt! Da, endlich. Die Beine bewegen sich. Puh! Gott sei Dank! Jetzt bin ich froh. Ehrlich.
Ganz langsam steigen die barfüssigen Männerkörperextremitäten die Leiter herunter.
Nach einer kurzen Erleichterung steigt die Spannung in mir nun jedoch abermals.
Diesmal droht die Erregungskurve in die andere Richtung auszuschlagen. Rasant. Sehr rasant. Kopfkino. Kammerlichtspiele, Spätvorstellung. Schmuddelecke.
Vielleicht sind ja nicht nur die Beine unangezogen? Wie wäre es mit dem Rest...?

Ja, man, ich bin ja schließlich auch nur eine Frau. Was soll ich da machen?
Im Moment ja eh nur abwarten. Bis der Mensch von gegenüber endgültig von seiner Leiter abgestiegen ist und sich dann so ganz in ganz zeigt.
Schnell noch Licht bei mir ausmachen und dann wieder ans Fenster und warten.

Hach, noch rechtzeitig geschafft. Die Beine bewegen sich wie in Zeitlupe Sekunde für Sekunde - fast schon lasziv - die Stufen hinunter in Richtung Boden.
Ich werde immer unruhiger und habe nicht mal Gardinen hinter denen ich mich verstecken kann.
Los, nun mach schon! Ich will den Rest sehen! Egal... Ehrlich.
Dieses ganze Gefühlsaufundab da in mir möchte jetzt auch mal entspannt erlöst werden. Anders geht das gar nicht....


Nach gefühlten Ewigkeiten am Fußboden angekommen, gehen die Beine gemütlich in Richtung Küche.
Die weiße Boxershorts, die mitgeht, ist nice, aber recht unspektakulär. Ebenso das weiße T-Shirt.

Von mir fällt die Anspannung jäh ab und mündet in einer ziehmlichen Enttäuschung.
Menno.... Das war nix... So ein verdammter Mist! Der ganz Aufwand umsonst.
Muss der mich erst so erschrecken, mir danach solche Hoffnungen machen? Und mich jetzt so dermaßen hinter meinem Fenster stehen lassen? Herzlichen Dank, ey! Vergiss es... Ich war bedient...


Aber, ich war irgendwie selbst schuld. Ist man ja immer irgendwie, oder? Ich hatte nämlich etwas ganz grundlegendes absolut vergessen in meinen Gefühlswallungen da hinter der Scheibe: Maler tragen immer weiß. Immer. Egal, wo sie malern. Sind ja auch Maler, nech?!
Und deshalb ist das auch hier bei uns hier so. Ganz genau so. Hier bei uns in der bronxx...


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