Sonntag, 10. November 2019

Der Kompensationsfluchzwang oder So lange keiner zuhört


So, ihr lustigen Lesefüchschen, der Bürger M. gibt sich auch mal wieder die Ehre.

Könnt ihr euch an die Story mit meiner mysteriösen Nachbarin erinnern? Die mit den Flüchen aus der Wand? Die, die man nur gehört aber nie gesehen hat? Ja, genau die. Das ist ja jetzt auch schon wieder ein gutes Jahr her und es hat sich natürlich etwas getan und es gibt etwas zu berichten.

Die Nachbarin zur mysteriösen Stimme und ich sind uns inzwischen häufiger über den Weg gelaufen und haben nachbarschaftlich geschnackt, wie man das halt so macht. Sie hat mir unter anderem erzählt, was Sie früher so gemacht hat(und zu diesem Punkt kommen wir später im Text noch, das ist nämlich wichtig. Also aufgepasst!) Angesprochen auf das kurze Zwiegespräch durch die Wand habe ich Sie natürlich nicht und auch Sie hat es mit keiner Silbe erwähnt oder sonstwie zwischen den Zeilen oder durch verdächtiges Zucken der Augenbrauen durchblicken lassen. Und auch nach dem berichteten Vorfall habe ich Sie einige Male durch die Wand mehr oder weniger deutlich hören können.

Wie gesagt, es ist inzwischen ein bisschen was passiert. Früher berührten sich die Wohnungen von Frau S., so nennen wir die Nachbarin jetzt mal, und meiner nur an der Badezimmerwand. Nun wohnt Sie direkt über mir. Der Bürger M. ist nämlich mit Madame N. und Thronfolger R. im Haus umgezogen und wohnt jetzt unter Frau S. Und jetzt geht's erst so richtig los. In fast jedem Raum kann man Frau S. mal mehr, mal weniger, rumfluchen hören. Immer in so einem genervten Meckerton. Man bringt das überhaupt nicht überein mit der Person mit der man plauderig im Treppenhaus steht und die unseren Thronfolger so herzlich neckt und anschmachtet.

Aber ich habe da so eine Theorie: Frau S. war jahrzehntelang selbstständig im Dienstleistungsgewerbe tätig, Fachrichtung "Wächst ja wieder", ihr wisst, was ich meine, nech? Und wahrscheinlich jeden Tag immer nett, unverbindlich und dem Gegenüber herzlich zugetan. Kein Platz für Gemuffel, schlechte Laune oder böse Worte. Aber irgendwie muss das, was sich so in einem aufstaut und vor sich hinbrodelt, ja auch mal raus. Sonst platzt man ja. Und ich denke, dass Sie über die Jahre eine Art von Dienstleistungsfreundlichkeitskompensations-Tourette entwickelt hat. Immer wenn Sie allein ist und sich ungehört fühlt und irgendetwas kommentierungswürdiges los ist, dann flucht, meckert und greint Sie los. Dabei ist es völlig egal, ob ihr das Lied im Radio nicht passt, ein Staubflusen durchs Wohnzimmer fliegt oder die Waschmaschine explodiert ist.
Und wir, unten drunter, amüsieren und denken uns "Hach ja, Frau S. ist da und wieder voll in Form!".
Und wie das bei Kindern und alten Leutchen so ist, so lange sie rumzetern sind sie gesund. Aktives zuhören als gelebte Nachbarschaftshilfe sozusagen. Man will sich ja nicht nachsagen lassen, dass einem erst dann etwas aufgefallen ist, wenn es im Flur streng müffelt und die sensationsgierigen BLÖD-Adepten von news38.de bereits vor der Tür stehen. Inzwischen freuen wir uns sogar immer ein bisschen darüber, wenn wir sie rummeckern hören. Immer noch besser, als wenn geistige Vorher-Models gegenseitig mit Schürhaken aufeinander los gehen und man 'schon wieder' die 110 ... 

So muss ja ein jeder mit seinen in Fluchdämonen umgehen, auch hier bei uns in der bronxx …

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