Was an diesem Bild ist
falsch? Hm. Zunächst einmal handelt es sich um stinknormale
Zigarettenwerbung an der Straßenbahnhaltestelle Luisenstraße, und
zwar für Großpackungen, weil man da mehr sparen kann. Offenbar ein
Mann hält zwei Großpackungen in der Hand, die mit einem
abschreckenden Foto und dem Hinweis „Rauchen mindert ihre
Fruchtbarkeit“ versehen sind. Seit einigen Jahren müssen auf
sämtlichen Raucherverpackungen solche Hinweise prangen, damit der
Konsument merkt, dass er nicht nur raucht, genießt und spart,
sondern eventuell auch davon krank wird oder an Folgeerkrankungen
stirbt. Viele verschiedene, teils gruselige Bildchen habe ich schon
in den Warteschlangen im Kassenbereich gesehen und dabei gedacht,
wäre ich Raucher, könnte ich in einer Raucherrunde ein geselliges
Krankheitsquartett spielen. Je nach Bild kann man sich gegenseitig
ausstechen, und der Sieger bekommt einen neuen Glimmstängel. Wie
beim Skat kloppt man die Tabaktüten vor sich auf den Tisch und
ermittelt den Sieger – Arterienverkalkung schlägt schlechte Zähne,
z.B. Bei anderen Bildern dagegen wird die Wahl, was schlimmer ist,
schwierig. Naja, aber ich rauche nicht und habe deswegen keine
Gruselbildchen zum Stechen.
Jedenfalls beinhaltet
diese Zigarettenwerbung nicht nur den kessen Slogan „Rauchen,
genießen und sparen“, sondern hat als Warnung noch die drohende
Unfruchtbarkeit im Gepäck. Die Kombination aus beiden ist
merkwürdig, grotesk und zum Brüllen gleichzeitig. Hat da keiner
vorher nochmal draufgeguckt? Oder steckt da ein Plan hinter? Eine
subtile Botschaft? Ist das die böse Idee des Werbegrafikers, der
seine Frau und seine Kinder hasst? Möchte er unterschwellig auf die
Gefahren einer Familie aufmerksam machen, indem er zum Slogan
„Rauchen, genießen und sparen“ das Bild von Unfruchtbarkeit
gesellt?
Ich stelle ihn mir vor,
diesen Typen mittleren Alters, nennen wir ihn Ernst. Ernst ist schon
ein wenig eingeschrumpelt und ausgesaugt von seinem anstrengenden Job
und den Wünschen seiner Familie. Er hat auch nur noch drei Haare auf
dem Kopf, den Rest hat ihm seine Familie vom Kopf gefressen. Genervt
sitzt er an seinem nächsten Projekt, denn der nächste Urlaub in der
Türkei wird wieder nicht billig. Und während er an der
Zigarettenwerbung arbeitet (er arbeitet von Zuhause), nerven ihn
seine Kinder, sie bräuchten ganz dringend und SOFORT dieses neue
Playstation-Spiel, das gerade alle spielen, und außerdem hat der
Kleine seine Cola auf Ernsts Zigaretten-Stopfstation verschüttet, wo
schon die fertig gestopften Vorräte für die nächsten zwei Tage
liegen; seine Frau macht Alarm, weil er schon wieder nicht mit will
zu Tante Hedwig nach Blankenburg, und dabei freut sie sich doch jedes
Mal so, wenn er dabei ist. Sie schnattern und reden und nerven vor
sich hin, während Ernst versucht, sich auf seine Arbeit zu
konzentrieren. Und irgendwann ist dann der kritische Punkt erreicht
-Ernst sieht rot. Er könnte jedes Bild aus dem Raucherquartett für
das Projekt nehmen, die schlechten Zähne zum Beispiel, meinetwegen
auch das Raucherbein. Aber ganz bewusst sucht er das richtige Bild zu
seiner Situation. Und zum Slogan:
Familie? Euer Ernst?!
Raucht lieber (ist
außerdem eine günstige Verhütung), spart
(Geld für eine kaufwütige Ehefrau und undankbare Blagen) und
genießt (allein)!
Bäm!! Das ist mal ne´ harte Nummer. Ich lache noch darüber, als
ich in die Straßenbahn einsteige und in Richtung Innenstadt fahre.
Armer Ernst. Ob er wohl am Ende doch noch mitmusste zu Tante Hedwig?
Ernst?
Ach komm, jetzt schmoll doch nicht. Ernst? Hallo?...aber Ernst hat
keine Sprechstunde mehr. Er hat sich auf dem Klo eingeschlossen,
qualmt feuchte Zigaretten mit Colageschmack und wartet, dass seine
Familie nach Blankenburg fährt – ohne ihn. Und mir bleibt seine
Werbebotschaft.
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