Donnerstag, 18. Oktober 2018

Beleidigungen aus der Wand


So, da isser wieder, der Bürger M., frisch zurück aus dem Urlaub und mit einer launigen Anekdote aus den eigenen vier Wänden. 

 

Wer von den Älteren kennt eigentlich noch den „Chopper“, dieses merkwürdige Phänomen das Anfang der achtziger Jahre in einer Arztpraxis aufgetreten ist? Das war so eine Stimme aus dem Nichts die rumgepöbelt und Ferkeleien erzählt hat. Lange ist´s her, großes Thema damals. Daran musste ich im Nachhinein denken. Aber von Anfang an … 

 

Im Frühsommer zog neben mir eine neue Nachbarin ein. Eine alleinstehende betagtere Dame, nennen wir sie Frau S.. Wir liefen uns im Treppenhaus einmal kurz nach dem Einzug über den Weg und stellten uns vor. Die Dame war sehr freundlich und redselig und freute sich über die Begrüßung. Ich freute mich auch, mit der Dame als Nachbarin war kein Lärm oder sonstiges Unheil zu erwarten. Puh, Glück gehabt, kein Partyvolk oder gar ein Tuba-Spieler. 

Dann sah ich sie nicht wieder, bis heute nicht. Wir liefen uns einfach nicht mehr über den Weg. Gut, wenn man arbeitet dann kann das für ein paar Wochen schon mal vorkommen, aber über Monate? Sie war aber da. Ich hörte ab und zu Gerausche von der Dusche und dem Waschbecken aus dem Badezimmer nebenan, sonst nichts weiter. Unsere Wohnungen "berühren" sich nur an der Badezimmerwand, an keiner anderen sonst. Das war das einzige Lebenszeichen von Frau S.. 

Eines morgens dann, ich hatte mich wieder einmal zu viel umgedreht und war dementsprechend in Eile, stehe ich im Bad, höre Gerausche von nebenan und denke „Schön, sie ist wenigstens noch da. Man weiß ja nie bei den älteren Herrschaften.“ und putze mir derweil die Zähne.

Auf einmal höre ich, sehr laut und eindringlich "MENSCH, IST DER IDIOT SCHON WIEDER AM KACKEN?!“. Direkt aus der Wand und unmissverständlich die Stimme einer älteren Frau, anscheinend Frau S.  

Ich grinse und denke mir "Hach, ein Lebenszeichen. Leben live. Prima!". Und dann gehen mir schlagartig die räumlichen Begebenheiten hier im Haus durch den Kopf. Meine Nachbarn unter mir links wie rechts sind derzeit nicht da und über mir gibt es keine Nachbarn. Die Badezimmer der Nebenhäuser sind von hier aus auch nicht einsehbar.

"DIE MEINT MICH!" schießt es mir blitzschnell in den Kopf. Sie konnte nur mich meinen. Geistesgegenwärtig und nicht auf den Mund gefallen höre ich mich selbst sehr deutlich erwidern "DER IDIOT KANN SIE HÖÖÖREN!". Ein kurzes Poltern und danach Stille, Ruhe, nix mehr.

 

Das ist jetzt auch schon wieder gut drei Wochen her und ich habe seitdem noch weniger von meiner Nachbarin gesehen, geschweige denn gehört. Kein Licht im Flur, keine Geräusche aus dem Badezimmer nebenan und die Wand hat auch nicht mehr mit mir gesprochen. Ich sehe aber anhand des Briefkastens und der Fußmatte, dass sie da ist und existiert.

Wie geht man denn jetzt damit um? Einfach mal klingeln? War es doch nur ein Missverständnis oder ein Verhörer? Und was ist in dem Moment damals tatsächlich passiert? Hat sie etwa, während sie selber – na, Ihr wisst schon – mit einem Smartphone oder Tablet komische Videos geguckt und diese kommentiert? Inzwischen bin ich wirklich neugierig. Ich werde berichten … 

 

Tja, so ist das. Des Wahnsinns fette Beute sind die ganz normalen Leute. Auch hier, bei uns in der bronxx …

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